WIE DIE HÜGELCHEN LÄCHELTEN

WIE DIE HÜGELCHEN LÄCHELTEN
WVZ 63/27 [Kopflandschaft für das Faltblatt
zur Ausstellung „Hügelwärts“, München], 1963
Druckvorlage für die Lithografie, 23 x 29,5 cm
Chinesische Tusche auf Transparentpapier
Lindenau-Museum Altenburg

Hättest du die Bäumchen
stehn gesehn, mir war's, als ob
sie tänzelten, so lustig
gestikulierten sie, ein Wölkchen
sah in silberweißer Reinlichkeit
einem Delphin ähnlich, hättest du
die vielen Hügelchen gelblich-grünlich
lächeln sehen können, schade,
daß du den Eisenbahnzug nicht sahest,
der nun auf golden-schwarzer Schiene
gewichtig und zart, leise und gewaltig,
schwerfällig-schön und mühsam
und doch in herrlicher Leichtigkeit vorbeifuhr.
Unendlich bedauerlich finde ich,
daß du nicht auch sehen konntest,
wie die Fahrgäste aus den Wagenfenstern blickten.
Einer wie der andere schaute auf mich,
der im Gras lag,
die Stufen eines Stegleins zählte,
das einen Abhang hinauflief,
die Brücken mit Blicken
inspizierte, und der an der Brust der Erde
glücklich war.
Ein Fabrikrohr
sich in die Höhe verlor,
ein Mädelchen in einiger Entfernung spazierte.
Ich meinte, ich müsse,
alles rings in solchem Glück,
in solcher Heiterkeit zu sehn,
feengleich vergehn,
bog den Kopf zurück:
Oh, war das schön!
Ziele gibt es viele, zu sein an einem Ziel,
dazu braucht's nicht viel.
 

Robert Walser, in: Die Gedichte, Suhrkamp Verlag 1986, erstveröffentlicht Juni 1925 in „Wissen und Leben. Neue Schweizer Rundschau“.
Gerhard Altenbourg am 8. Februar 1968 an Horst Hussel: „Ansonsten auf mancher Entdeckungsfahrt: so fand ich in einer alten Anthologie der zwanziger Jahre zwei herrliche Gedichte von Robert Walser, die mich entzückten. Darin der Passus: „Wie die Hügelchen lächelten.“ Das ist doch Altenbourg!“
In: Gerhard Altenbourg Horst Hussel. Der Briefwechsel. Herausgegeben und kommentiert von Jens-Fietje Dwars. Edition Ornament im quartus-Verlag, Bucha bei Jena 2016

 

 

 

 

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