Ein Lauschender auf blauer Au

Bedrängnis: in der Hoffnung schwebend
Bedrängnis: in der Hoffnung schwebend
(zu Theodor Däubler) 1967

WVZ 67/11, Chinesische Tusche, Aquarell,
Tempera, Kreide, über Lithographie:
Zu Däubler: Ein Lauschender auf blauer Au,
L 108, 420 × 365 mm
Stiftung Gerhard Altenbourg
 

Grauen, sammtig rauhes Grauen
Packt mich, wenn ich traurig bin.
Lauter graue Raupen stauen
Sich vom Hals bis übers Kinn.
Ach, wie schwer ich das ertrage,
Wie es mich erschaudern macht:
Raupen scheinen es am Tage,
Falter sind es bei der Nacht.

Dunkelbunter Schmetterlinge
Werde ich genau gewahr.
Ja, die innerlichsten Dinge
Schaut dann manches Augenpaar.
Tief im Flügelkreis der Falter
Blickt mich meine Trauer an,
Unserer Seele blaues Alter
Halt ein Zauber dort im Bann.

Fliegt doch fort, Ihr vielen Dinger!
Färbt Ihr Euch mit Räthseln bunt?
Meine werden schon geringer,
Abgesucht ist Euer Fund!
Flackert nicht, wie kranke Herzen,
Die der Tod nicht knicken kann,
Knüpft nicht alle meine Schmerzen
An den Samt der Flügel an.

Weggeträumt, hinweggesonnen,
Gebt mir doch am Morgen Ruh.
Ach, in Sorgen eingesponnen,
Deckt mich schon das Schaudern zu.
Doch warum die trübe Klage?
Stets bin ich mit Graun erwacht!
Raupen plagen mich am Tage,
Falter sind es bei der Nacht.

Theodor Däubler, in: Das Nordlicht,
Florentiner Ausgabe, 1910

Die Mischtechnik über Lithografie gehört zum Kreis von Arbeiten zu Dichtungen des von Altenbourg hochverehrten Theodor Däubler, vgl. Künstlerbuch 63/30.